Geschichte
Auszugsweise entnommen aus „Haus der Bayerischen Geschichte“ www.hdbg.de


Motive

Eine Auswanderung konnte religiöse Gründe haben, aus ökonomischen Erwägungen erfolgen, wegen politischer Bedrängnisse oder auch aus ganz individuellen Motiven. In den allermeisten Fällen waren es mehrere dieser so genannten push-Faktoren, die in den Menschen tatsächlich den Willen zur Auswanderung soweit reifen ließen, dass sie die Reise auch antraten. Dazu kamen die so genannten pull-Faktoren, die Vorstellung von einem Amerika, in dem vieles, das im eigenen Land fehlte, vorhanden sei: Arbeit und Platz für jeden, landwirtschaftlich nutzbares Land und die Freiheit, zu tun und zu lassen, was man wollte; vor allem aber träumten viele vom Sich-Satt-Essen-Können!

Auswanderungsbewegungen verlaufen in Wellen und spiegeln die jeweilige Situation im Heimatland wider. Umgekehrt beeinflusste die wirtschaftliche und politische Lage in Amerika die Wanderungszahlen. Im 19.Jahrhundert sind drei Hochzeiten der Auswanderung aus Oberfranken festzustellen: 1838 - 1847, 1852 - 1857 und 1880 – 1886, wobei eindeutig die wirtschaftlichen Gründe bei der Auswanderung überwiegen [Schaub Hans, Auswanderung aus Oberfranken nach den Vereinigten Staaten von Amerika im 19. Jahrhundert, 1989]. Amerika war für 90 Prozent der Auswanderer das Ziel. Im 20.Jahrhundert weist die Statistik rund 16000 bayerische Amerika-Auswanderer für das Jahr 1923 nach. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde 1952 ein Höhepunkt mit über 11000 Auswanderern erreicht. Heute hat sich der jährliche Anteil auf rund 3000 Personen eingependelt.

Hatten erst einmal Verwandte, Freunde oder Bekannte die Reise erfolgreich hinter sich gebracht, so sank die Schwelle zur Auswanderungsbereitschaft. Diese so genannte Folgewanderung führte manchmal dazu, dass ganze Familien oder auch Dorfgemeinschaften auswanderten.

Häufig gaben persönliche Motive den Anstoß zur Auswanderung. Abenteuerlust und Neugier trieben viele dazu ihr Glück zu versuchen. Nach den Goldfunden in Kalifornien Anfang 1848 etwa war es vielfach der „Lockruf des Goldes“. Mancher entzog sich der Verfolgung durch Polizei und Justiz oder den Forderungen seiner Gläubiger durch Flucht in die USA. Auch die Zahlung von Alimenten versuchten einige durch Auswanderung zu umgehen. Im Gegenzug suchten dann wieder die Mütter in Amerika nach den verschwundenen Vätern ihrer Kinder.

Nach 1945 folgten viele Frauen, die amerikanische Soldaten geheiratet hatten, ihren Männern in die Vereinigten Staaten. Heute sind es häufig Studenten und Wissenschaftler, die für sich und ihr Fortkommen in den Vereinigten Staaten bessere Chancen sehen.


Ratgeber

Die Auswanderer taten gut daran sich vor der Reise über ihre neue Heimat zu informieren. Unzählige Ratgeber wurden dafür verfasst; Reiseschilderungen, Romane und Erzählungen zeichneten oft ein einseitig positives Bild und ließen die zu erwartenden Schwierigkeiten vergessen. Zeitungsberichte spiegelten dagegen häufig die jeweilige Tendenz der Regierung wider: positive Berichte zu Zeiten, in denen Auswanderung für gut befunden wurde, negative Schlagzeilen zu Zeiten, in denen die Menschen im Lande gehalten werden sollten.

Briefe von ausgewanderten Freunden, Bekannten, Verwandten galten als besonders glaubwürdige Quelle, schienen sie doch ein wahrheitsgetreues, detailliertes Bild des alltäglichen Lebens in der Fremde zu zeichnen. Diese Berichte machten oft in der ganzen Gemeinschaft die Runde und gingen von Hand zu Hand.


Behördengänge

In Bayern musste bis 1871 eine Auswanderung von den staatlichen Behörden genehmigt werden. Um einen Reisepass zu erhalten waren das Geburts- und Taufzeugnis, ein Vermögensnachweis, ein Führungszeugnis und für Männer eine Bestätigung über die Ableistung des Wehrdienstes nötig. Die geplante Auswanderung musste in der örtlichen Zeitung und durch Anschlag öffentlich bekannt gegeben werden, um etwaige Gläubiger zu informieren. Waren diese Bedingungen erfüllt, stellten die Behörden einen Reisepass aus. Dieser besaß nur für diese Reise Gültigkeit. An diesen Vorschriften änderte auch der 1845 geschlossene Freizügigkeitsvertrag zwischen dem Königreich Bayern und Amerika nichts.

Mit der Auswanderung legte man die bayerische Staatsbürgerschaft ab. So mussten die Heimatgemeinden eventuell verarmte Rückkehrer nicht versorgen, da diese nicht mehr Untertanen des Königsreichs Bayern waren.

Mindestens ein Drittel der Auswanderer umging jedoch diese Prozedur und reiste heimlich aus. Sie riskierten damit den Verlust von Erbansprüchen auf eventuell zustehende Vermögen.

Den Ausreisebestimmungen in der alten Heimat standen die Einreisebestimmungen in den Vereinigten Staaten gegenüber: Krankheit oder fehlende finanzielle Mittel konnten ein Abweisungsgrund sein.


Agenturen

Auswanderungsagenten berieten die Auswanderer und besorgten die Papiere für die Überfahrt. Bald mussten die Auswanderer den Behörden vor Antritt der Reise ein von einer Agentur ausgestelltes Ticket vorlegen. Dies war Ergebnis schlechter Erfahrungen mit verarmten Auswanderern, die in einem Hafen gestrandet waren und kein Geld mehr für die Überfahrt hatten.

Die Agenten brauchten seit 1849 für die Ausübung ihrer Tätigkeit eine Bestätigung der bayerischen Regierung und mussten eine Kaution hinterlegen. Sie handelten meist im Auftrag der großen Reedereien, wie des Norddeutschen Lloyd in Bremen (NDL) oder der Hamburg-Amerikanischen-Paketfahrt-Aktiengesellschaft (HAPAG). Es gab so genannte Haupt- und Unteragenten. Bekannte Agenturen in Bayern waren Leipert in Kempten oder Dessauer in Aschaffenburg.



Unterstützungsvereine

Die meisten Auswanderer hatten nie zuvor in ihrem Leben eine weitere Reise unternommen. Sie konnten deshalb unterwegs und bei ihrer Ankunft in Amerika leichte Beute für Betrüger werden.

Schutz und Beratung bereits im Heimatland, aber auch während der Reise, boten seit dem 19. Jahrhundert kirchliche Vereine wie der Raphaelsverein oder das diakonische Hilfswerk. Staatliche Stellen, wie die 1902 gegründete „Zentral-Auskunftsstelle für Auswanderer“ und deren Nachfolgeorganisationen leisteten und leisten ebenfalls Unterstützung.

In privat organisierten Auswanderervereinen schlossen sich Auswanderungswillige zusammen, um gemeinsam Land zu erwerben und die Risiken der Auswanderung zu minimieren. Der Erfolg dieser Bemühungen hing ganz wesentlich von den kaufmännischen Fähigkeiten und landeskundlichen Kenntnissen der Vereinsführung ab. Auswanderervereine lösten sich meist wieder auf, sobald die Niederlassung begründet und zum Erfolg geführt war.

In Amerika boten zahlreiche deutsche Gesellschaften Unterstützung für die Ankömmlinge. Sie halfen bei der Suche nach Unterkunft und Arbeit, kümmerten sich im Krankheitsfall und vermittelten Sprachkurse. Die Deutsche Gesellschaft von New York wurde bereits 1784 gegründet.

Hilfe in Form von guten Ratschlägen, ersten Arbeitsstellen oder Übernachtungsmöglichkeiten leisteten oft auch vorausgewanderte Verwandte und Freunde.


Abschied

Der Abschied von zu Hause war meistens ein Abschied für immer. Für gegenseitige Besuche war – zumindest im 19. Jahrhundert – die Reise zu gefährlich, zu teuer und zu beschwerlich.


Zum Hafen

Die Auswanderung erfolgte gewöhnlich in drei Etappen: Zunächst musste der Weg vom Heimatort zum nächst gelegenen Hafen bewältigt werden. Dort traten die Auswanderer die Überfahrt nach Amerika per Schiff an. Der letzte Teil der Reise führte dann ins Landesinnere an den Zielort in der neuen Heimat.

Mit dem Ausbau des Eisenbahnnetzes ab 1850 wurden die deutschen Überseehäfen Bremen (Bremerhaven) und Hamburg auch für die Auswanderer aus Oberfranken schnell erreichbar. Die Hauptverbindungsstrecke der Eisenbahnlinie führte von Hof über Plauen, Altenburg, Leipzig, Magdeburg, Braunschweig, Hannover nach Bremen bzw. von Magdeburg nach Hamburg.

In den Hafenstädten mussten die Auswanderer manchmal wochenlang auf das Auslaufen ihres Segelschiffs warten. Hier kauften sie die vorgeschriebene Ausrüstung und zusätzliche Verpflegung für die Überfahrt. Um die Ortsfremden vor Geschäftemachern zu schützen und gleichzeitig den guten Ruf der Stadt als Auswandererhafen zu wahren, richtete der Bremer Magistrat bereits um 1845 eine „Inspektion für das Auswanderungswesen“ ein. Sie wachte darüber, dass die Auswanderer nicht übervorteilt wurden. Hamburg folgte dem Bremer Vorbild mit einer ähnlichen Behörde. Zur Unterbringung der durchreisenden Menschenmenge wurden in beiden Städten eigene „Auswandererhallen“ gebaut, wo die Wartenden eine Unterkunft fanden.


Überfahrt

Der Fortschritt im Schiffsbau veränderte innerhalb weniger Jahrzehnte die Überfahrt für die Auswanderer grundlegend. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatte man nur behelfsmäßig auf die plötzlich ansteigende Nachfrage nach Passagierplätzen reagiert. In die Frachtschiffe wurde ein Zwischendeck eingezogen, in dem fortan die Masse der Auswanderer auf engstem Raum und ohne hinreichende Belüftung befördert wurde. Die schlechten hygienischen Verhältnisse und die oft ungenügende Verpflegung kosteten vielen Auswanderern das Leben.

Mit dem Einsatz der neuen geräumigen Dampfschiffe verkürzte sich die Fahrzeit eines Seglers von bisher acht bis 12 Wochen auf wenige Tage. Die erste regelmäßige transatlantische Verbindung wurde am 8. April 1838 vom britischen Dampfer „Great Western“ eröffnet: Er benötigte für die Strecke von Bristol nach New York nur mehr 15 Tage und 5 Stunden. Da die Fahrt auf Dampfschiffen aber sehr kostspielig war, nutzten die Auswanderer bis zur Mitte des Jahrhunderts weiterhin überwiegend Segelschiffe. 1870 waren allerdings bereits 88 Prozent aller Schiffe Dampfer. Durch das rasch wachsende Angebot an Überfahrtsplätzen verringerte sich bald auch der Preis. Die Fahrt nach Amerika war also nicht mehr so beschwerlich. Doch auch im Zeitalter der Ozeanriesen blieb die Atlantiküberquerung gefährlich, wie der Untergang der „Titanic“ im April 1912 zeigt.


Ankunft

Die Einwanderer aus Bayern kamen meist in einem Hafen an der Ostküste an: zunächst vor allem Philadelphia und Baltimore, seit den 1830er-Jahren vermehrt auch New York.

Seit 1855 diente das ehemalige Fort Castle Garden an der Südspitze von Manhattan als Aufnahmestation für Einwanderer. Bis 1890 kamen dort 8,2 Millionen Immigranten an. Sie wurden hier kontrolliert, inspiziert und registriert sowie gegebenenfalls als Arbeitskräfte oder Soldaten angeworben.

Ab 1892 wurde Ellis Island, auf einer Insel vor New York gelegen, das Tor in die Vereinigten Staaten. Als Ellis Island 1954 geschlossen wurde, hatten 17 Millionen Menschen, etwa 90 Prozent aller US-Immigranten dieser Jahre, die Insel passiert. Seit 1990 ist der Gebäudekomplex von Ellis Island ein Museum.


Niederlassungen

Viele Auswanderer aus Kirchenlamitz und Umgebung ließen sich in Buffalo (auch Buffalo-Kirchenlamitz genannt), Erie County, Staat New York nieder.

Den Auswanderern folgte oft ein Strom von Freunden, Bekannten und Verwandten. Um im unbekannten Land nicht unterzugehen schloss man sich zusammen: z.B. Einwanderer aus der Gegend von Arzberg im heutigen South Bend (Indiana).


Arbeiter und Unternehmer

Die meisten Auswanderer konnten ihre Lebenssituation in den USA verbessern. Manche stiegen vom mittellosen Einwanderer zum Großunternehmer auf, andere konnten auf schon vorhandenem Kapital aufbauen und große Vermögen erwerben.

Es entstanden viele mittelständische Existenzen. Die Einwanderer schufen Farmen, Ladengeschäfte und Werkstätten.

Viele aber mussten sich als Arbeiter verdingen und in langen Arbeitszeiten und unter harten Bedingungen ihr Geld verdienen. Zahlreiche Einwanderer gingen auch im Elend unter.


Kulturelles Leben

Zunächst schlossen sich die Neueinwanderer zur gegenseitigen Unterstützung und Geselligkeit in Vereinen zusammen. Sie pflegten die deutsche Sprache, errichteten deutschsprachige Schulen und brachten deutsche Zeitungen heraus. Die Vereinskultur mit Turnern, Chören und Musikkapellen wurde gepflegt, die gewohnte Fest- und Feierkultur hochgehalten. So fand man sich auch gegen den Widerstand der puritanischen Einwohner am Sonntag zu gemeinsamen Ausflügen zusammen und feierte im Freien. Was in den Anfängen noch notwendig für die Bewältigung des neuen und oft neuartigen Lebens war, wandelte sich im Lauf der Zeit in eine nostalgische Reminiszenz an die Kultur der Vorfahren.


Verbindungen

In Zeiten ohne Telefon und Internet waren Briefe das einzige Mittel, um den Kontakt mit der Familie und den Freunden in der alten Heimat aufrecht zu halten. Besuche in die alte Heimat oder von dort waren aufgrund der kostspieligen und beschwerlichen Reise bis weit ins 20. Jahrhundert die Ausnahme.

Ersatz für die persönliche Begegnung boten Fotografien. So konnte man mit eigenen Augen sehen, wie die Kinder heranwuchsen, die Eltern und Geschwister älter wurden oder die Auswanderung zur Erfolgsstory wurde, wenn man stolz und wohlgenährt vor dem eigenen Haus in der neuen Heimat posierte.

Schließlich hielten Geschenke hinüber und herüber die Erinnerung aufrecht. In Krisen- und Kriegszeiten sicherten diese oft einen wesentlichen Anteil am Überleben vieler Familien. Das bekannteste Beispiel dafür sind die „Care-Pakete“, die nach dem Zweiten Weltkrieg vielen in Deutschland das Überleben erleichterten.